Über das Tabuthema Blähungen spricht man nicht? Lässt man Männerabende mit den besten Kumpels und Hollywood-Komödien außen vor, sind Blähungen ein Tabuthema. Übrigens sprechen wir nicht nur nicht über Darmwinde, sondern vieles andere Körperliche und Natürliche ist ebenfalls tabu. Man könnte fast meinen, wir wollten damit unsere tierische Herkunft verstecken.
Das allgemeine Tabuthema Blähungen ist für mich nicht mehr tabu. Nachdem ich bereits auf YouTube über meine Blähbauch-Odyssee gesprochen habe, die mir für mehr als ein Jahr das Leben zur Hölle gemacht hat, möchte ich aufklären. Aufklären über etwas, das viele belastet, worüber aber kaum jemand spricht – nicht einmal mit dem Arzt oder Heilpraktiker. Und so leiden sie, wie ich damals, still (oder auch weniger still…) vor sich hin.
Bei der Recherche zu meinem Buch »Das Pups-Tabu« bin ich auf lustige, verblüffende und schockierende Fakten gestoßen. Um die Thematik ein wenig aufzulockern, will ich dir hier 5 kuriose Fakten über Darmwinde vorstellen, die dir hoffentlich einen anderen Blick auf das Tabuthema Blähungen geben. Manege auf für 5 der interessantesten Feststellungen, die mir über den Weg gelaufen sind.
1. Nur etwa 1 % der Gase sorgen für üble Gerüche
Riecht man so manchen Darmwind könnte man meinen, er bestünde aus 99 % übel riechenden Gasen und zu einem Prozent aus heißer Luft. Doch weit gefehlt! Nur rund 1 % eines Pupses machen »Stinkstoffe« aus. Dazu zählen z.B. Schwefelwasserstoff, Skatole und Buttersäure. Methan gehört übrigens nicht dazu, denn das Gas ist geruchlos. Der schlechte Ruf kommt von der nachträglichen Anreicherung des Gases aus Sicherheitsgründen, damit ein eventuelles Leck schnell erkannt wird.
Aus Sicherheitsgründen haben wir Menschen während der Evolution auch gelernt, Gestank zu meiden. Übler Geruch war für unsere Vorfahren ein Zeichen von Krankheit oder sehr mangelhafter Hygiene und somit Infektionsgefahr. Wir dürfen also der Evolution danken, dass 1 % Stinkstoffe reichen, um unseren hauseigenen Sicherheitsdetektor auszulösen.
Übrigens: Während ich diese Zeilen in einer Düsseldorfer Hotellobby tippe, weht mir eines dieser üblen 1 % in die Nase … und zwar nicht von mir.
2. Frauen- und Männerpupse schenken sich nicht viel …
… wobei die Damen offenbar übler riechende Gase produzieren. Glaubt man wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit dem morgendlichen Mundgeruch befasst haben [1], kann man, wie Nick Haslam in seinem grandiosen Buch »Psychology in the Bathroom«, darauf schließen, dass es sich bei anderen schwefelhaltigen Gasen ähnlich verhält. Denn die Forscher fanden im Atem der Probanden zwei Gase, die auch in Pupsen enthalten sind: Methanethiol und Schwefelwasserstoff.
Doch damit nicht genug. Tapfere Forscher wagten sich in einer 1998 veröffentlichten Studie [2] an die Darmwinde von 16 Probanden (6 Frauen, 10 Männer). Zur »Absicherung«, dass auch wirklich genügend Gase produziert würden, gab man den Probanden am Vortag eine Extra-Portion Bohnen sowie 15 g Lactulose zwei Stunden vor der Probeentnahme.
Das Ergebnis: Die Pupsvolumina der Frauen waren mit 88 ml pro Pups im Vergleich zu 119 ml der Männer zwar niedriger, doch die Konzentration der Stinkstoffe war bei ihnen höher.
3. Täglich wehen rund 111 Milliarden Menschen-Pupse durch die Luft
Wie oft ein Mensch pro Tag pupst, ist individuell sehr verschieden. Klar, denn es gibt zahlreiche Faktoren, die die Häufigkeit beeinflussen. Dazu zählen Ernährungsgewohnheiten, Beschaffenheit der Darmflora, Lebensstil und einiges mehr. In den meisten Publikationen [z.B. 3,4], sowie im entsprechenden Leitfaden der Stanford-Kliniken [5] wird von rund 15 Flatulenzen pro Tag als Normalität ausgegangen. Nimmt man dies (meiner Meinung nach recht zurückhaltende Mittelung) und multipliziert sie mit dem Weltbevölkerungsstand von 2016, kommt man auf sage und schreibe 111 Milliarden Pupse pro Tag, die wir Menschen an unsere Umwelt abgeben. Tendenz steigend.
7,4 Milliarden Menschen * 15 Pupse/Tag = 111 Milliarden
Fun Fact: Ein Erwachsener lacht in etwas so häufig wie er pupst. Wohingegen uns freundliches Lächeln auf jedem zweiten Foto auf Instagram begegnen, wird das Thema Blähungen tabuisiert – obwohl beides eine natürliche Körperfunktion ist. Gerade für Menschen, die an einem Blähbauch leiden (wie ich vor wenigen Jahren), gehört dieses Tabu neu diskutiert.
4. Pupse können »abgeatmet« werden
Die Hauptursachen für Blähungen sind:
- Gasbildung in unserem Dickdarm (siehe unten)
- Aerophagie (verschluckte Luft)
Einen Großteil der verschluckten Luft stoßen wir ziemlich direkt über den Mund wieder raus. Der Rest wandert durch unseren Verdauungstrakt, bläht uns auf und wird entweder als (vergleichsweise geruchsarmer) Pups abgegeben oder abgeatmet. Für Letzteres wandert die überschüssige Luft aus dem Dünndarm in die Blutbahn, von dort aus in die Lungen und schließlich gelangt sie über Mund und Nase nach draußen.
Die häufigsten Gründe für Aerophagie sind übrigens:
- Hastiges Essen
- Kohlensäurehaltige Getränke
- Trinken mit dem Strohhalm
- Exzessives Kaugummikauen
- Rauchen
- Lose Zahnprothesen
- Cholerisches Verhalten
- Psychische oder vegetative Störungen
5. Blähungen entstehen meist im Dickdarm
»Mein Magen grummelt so« hört man immer wieder im Zusammenhang mit dem Tabuthema Blähungen. Doch die für Darmwinde verantwortlichen Gase entstehen zu überwältigenden Großteil erst im Dickdarm. Ganz in der Nähe des Ausgangs zersetzt unsere bessere Hälfte, die Darmbakterien, bis dahin unverdauliche Nahrungsbestandteile. Dabei stoßen sie Gase aus, die sich im Dickdarm sammeln, unseren Bauch aufblähen und schließlich durch die Hintertür abgegeben werden.
Wandern diese Darmbakterien in einem unnatürlich Ausmaß weiter nach oben in den Dünndarm spricht man von einer Überbesiedlung des Dünndarms (auch Fehlbesiedlung des Dünndarms). Die Folgen sind z.B. eine gestörte Verdauung von Nährstoffen (z.B. gestörte Fettverdauung), Völlegefühl, starke Blähungen und ein sekundärer Nährstoffmangel durch die gestörte Nährstoffaufnahme.
Solange Darmgase also im Dickdarm sind, ist soweit alles in Butter. Dazu kommen dann noch ein paar ml aus verschluckter Luft und alles ist gut. Wandert die Darmflora jedoch nach oben, sollte aufgehorcht und Gegenmaßnahmen unternommen werden. Dazu können Antibiotika (die allerdings auch die im Dickdarm liegende Darmflora stören können) oder Ernährungstherapien eingesetzt werden.
Tabuthema Blähungen
In modernen Gesellschaften ist vieles, das auf unsere tierische Herkunft deutet, tabu. Dass ein Körpertabu sinnvoll sein kann, will ich nicht anzweifeln. Schließlich will wohl kein moderner Mensch in einer Welt ohne diese ungeschriebenen Gesetze leben. Doch ich hoffe, dass dieser Artikel einen kleinen Beitrag dazu leistet, ein öffentliches Interesse für tabuisierte Körperfunktionen zu wecken.
Vor allem auch, weil ich aus inzwischen unzähligen Mails weiß, wie sehr manche Menschen unter solchen Tabuisierungen leiden, wenn das Tabuthema sie einschränkt und belastet. Blähungen sind das eine, doch auch sexuelle Übergriffe – gerade auch im Familienverbund – sind das Extrem solcher Tabus. Und gerade hier müssen wir unsere ungeschriebenen Gesetze hinterfragen und neu diskutieren.
Ich hoffe jedenfalls, dass ich dir mit dem Artikel einen anderen, weniger von Peinlichkeit und Scham erfüllten Blick auf das Tabuthema Blähungen – unser aller täglicher Begleiter – geben konnte.
Bis bald,
Jan
Quellen
[1] Snel, J., Burgering, M., Smit, B., Noordman, W., Tangerman, A., Winkel, E. G., & Kleerebezem, M. (2011). Volatile sulphur compounds in morning breath of human volunteers. Archives of Oral Biology, 56 (1), 29–34.[2] Suarez, F. L., Springfield, J., & Levitt, M. D. (1998). Identifica-tion of gases responsible for the odour of human flatus and evaluation of a device purported to reduce this odour. Gut, 43 (1), 100–104.
[3] Levitt, M. D., Furne, J., Aeolus, M. R., & Suarez, F. L. (1998). Evaluation of an extremely flatulent patient: case report and proposed diagnostic and therapeutic approach. The American Journal of Gastroenterology, 93 (11), 2276–2281.
[4] Tomlin, J., Lowis, C., & Read, N. W. (1991). Investigation of normal flatus production in healthy volunteers. Gut, 32 (6), 665–669.
[5] Stanford Primary Care Clinics. (o. J.) Patient Information. Gas in the digestive tract. Abgerufen von http://sim.stanford.edu/resources/smg_patient_info/GAS09-09.pdf
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