Schwangere müssen auf ihre Ernährung achten. Das ist soweit klar und keinesfalls strittig. Was jedoch immer wieder Stoff für hitzige Diskussionen liefert, ist die Frage, ob eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft unbedenklich ist. Wie sieht eine gesunde vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit aus? Müssen Veganerinnen besonders aufpassen und wie sind die generellen Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr? Diese und weitere Fragen möchte ich in diesem Beitrag klären.
Wegen des zum Teil erhöhten Vitamin- und Mineralstoffbedarf kann es zu Mängeln kommen, die sich nicht nur auf die Mutter, sondern auch auf das Ungeborene auswirken. Doch ist das ein Problem, das vor allem vegane Frauen betrifft? Wegen der unmittelbaren Beteiligung des Nachwuchs steht gerade bei Diskussionen der emotionale Aspekt ebenfalls im Vordergrund. Ich will mich in diesem Beitrag nicht auf bestimmte Beispiele fokussieren – weder positiv noch negativ –, sondern möglichst neutral an die Frage rangehen und dich das Fazit selbst ziehen lassen.
Überblick der Nährstoffe
Fangen wir mit den D-A-CH Referenzwerten für Schwangere und Stillende von 2013 an, die einen guten Überblick über die Mehrbedarfe bietet:
Wir halten fest: Werdende und stillende Mütter haben einen Mehrbedarf. Nährstoffe, die bekanntermaßen kritisch werden können sind:
- Essenzielle Fettsäuren
- Essenzielle Aminosäuren (Protein)
- Vitamin A (Retinol)
- Vitamin D
- Vitamin B6 (Pyridoxin)
- Folat
- Calcium
- Jod
- Eisen
- Zink
Bevor ich auf die einzelnen Nährstoffe eingehe, will ich die Frage beantworten, ob man wirklich »für Zwei essen« muss.
Für Zwei essen?
Schwangerschaft
Natürlich muss eine werdende Mutter mehr essen, als eine Nicht-Schwangere. Der Unterschied ist mit durchschnittlich + 250 kcal pro Tag jedoch geringer als gemeinhin angenommen. Zum Vergleich: 250 kcal liefern bereits 1/3 Fertigpizza (mit Käse) oder in ein Eis (z.B. Valsoia).
Eine Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist normal und sollte auch angestrebt werden. 9–18 kg werden übrigens als normal angesehen. Ein durchschnittlicher Verlauf der Gewichtszunahme kann folgendermaßen aussehen:
- Woche 10: +650 g
- Woche 20: +4 kg
- Woche 30: +8,5 kg
- Woche 40: +12,5 kg
Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Vielleicht war/ist es bei dir ja ganz anders?
Gerade für Frauen, die vor der Schwangerschaft schlank waren und Probleme mit Appetitlosigkeit haben, kann es aufgrund der durchschnittlich geringeren Energiemenge pflanzlicher Lebensmittel schwierig werden, ausreichend zu essen. Deshalb ist wichtig, auf energiedichte Lebensmittel zurückzugreifen. Eine rein rohköstliche Ernährung ist übrigens unter dem Aspekt kritisch zu bewerten, da aus rohen Lebensmitteln, im Vergleich zu gekochten, weniger Energie pro Gramm aufgenommen wird.
Stillzeit
Während der Stillzeit ist der Energiebedarf noch deutlich höher als in der Schwangerschaft – nämlich + 635 kcal pro Tag in den ersten vier Monaten. Danach – bei vollem Stillen – sind es immer noch 525 kcal Mehrbedarf pro Tag. Der Mehrbedarf ist also rund 2 1/2 mal höher als während der Schwangerschaft! Doch warum eigentlich?
Einerseits muss der Nährstoffbedarf des Säuglings für das Wachstum gedeckt werden und zum anderen werden Nährstoffverluste während der Schwangerschaft ausgeglichen und der Grundbedarf der Mutter gedeckt. Jod, Selen und Mangan werden von der Nährstoffzufuhr der Mutter beeinflusst und müssen daher besonders beachtet werden.
Eine Mangelversorgung der Mutter, führt zu einer Mangelversorgung des Kindes. Der Vitamingehalt der Milch ist abhängig vom Versorgungszustand der Mutter.
Wichtige Nährstoffe
Es ist klar: Alle Nährstoffe sind wichtig. Doch während Schwangerschaft und Stillzeit gibt es einige Inhaltsstoffe, die besondere Aufmerksamkeit erfordern.
Essenzielle Fettsäuren
Generell ist der Bedarf an Fett nicht erhöht. Eine ausreichende Zufuhr von essenziellen Fettsäuren als Bestandteil von Membran- und Blutlipiden und Bildung von Eicosanaoiden ist für Schwangere besonders wichtig. Die langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren Arachidonsäure (langkettige Omega-6-Fettsäure) und Docosahexaensäure (kurz: DHA; langkettige Omega-3-Fettsäure) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Gehirn und Augen des Fetus bzw. Säuglings. DHA ist z.B. in Fisch und Mikroalgen enthalten. Der Körper kann DHA aus der pflanzlichen Vorstufe -Linolensäure (essenzielle Omega-3-Fettsäure) konvertieren – allerdings ist die Umwandlung limitiert und abhängig von verschiedenen Faktoren. Die Umwandlungsrate kann übrigens durch eine erhöhte Zufuhr von -Linolensäure verbessert werden.
Bei erhöhter Zufuhr an -Linolensäure sollte auf gleichzeitige Verringerung der Linolsäureaufnahme (Omega-6-Fettsäuren) geachtet werden. Die beiden Fettsäuren konkurrieren nämlich bei der “Umwandlung” um gleiche Enzymwege. Es werden etwa 2–4 g -Linolensäure pro Tag empfohlen. Dies entspricht etwa einem halben Teelöffel Leinöl. Außerdem gibt es Supplemente (wie nehmen dieses), die bereits verfügbares DHA und EPA enthalten und somit vom Körper gut aufgenommen werden können.
Protein
Da sich der Proteinbedarf ab dem 4. Schwangerschaftsmonat, wegen der Ausbildung von Plazenta und Fetus sowie der Vermehrung des Hämoglobinbestandes, um etwa 20% erhöht, sollte auf eine ausreichende Proteinzufuhr geachtet werden. Die D-A-CH-Referenzwerte empfehlen unter der Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags eine zusätzliche Zufuhr von 10 g/Tag ab dem 4. Schwangerschaftsmonat.
Ein Proteinmangel ist bei ausreichender Kalorienzufuhr unwahrscheinlich. So zeigt eine Erhebung des Max Runner Instituts 2008, dass die durchschnittliche Proteinaufnahme von Alles-Esserinnen in Deutschland bei etwa 67 g/Tag liegt. Der Anteil an den Gesamtkalorien liegt bei etwa 14 %. Alles-Esserinnen und Vegetarierinnen liegen im Allgemeinen über der empfohlenen Zufuhrmengen für Protein. Veganerinnen hingegen nehmen im Schnitt etwas weniger zu sich, was allerdings trotzdem meist ausreichend ist.
Wenn es allerdings zu einer generellen Mangelernährung kommt, kann es problematisch werden. Grund dafür ist, dass dann auch Nahrung- und Körperprotein zur Energiegewinnung genutzt wird – und dafür sind Proteine nur bedingt geeignet. Wie du im Artikel über die Nährstoffversorgung bei veganer Ernährung nachlesen kannst, gibt es zudem »limitierende Aminosäuren«. Das bedeutet, dass diese nur in unüblich geringen Mengen in bestimmten Lebensmitteln vorkommen (z.B. Lysin in Getreide). Diese limitierenden Aminosäuren sind besonders für Veganerinnen wichtig.
Daher der Tipp: Kombiniere verschiedene Proteinquellen, z.B. Bohnen mit Naturreis, Bohnen mit Mais oder Kichererbsen mit Fladenbrot.
Potenziell kritische Vitamine und Mineralstoffe
Vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht undenkbar, allerdings sollte man auf gewisse Mikronährstoffe achten, die potenziell kritisch sein können. Hier findest du wichtige Vitamine und Mineralstoffe für Schwangere und Stillende samt veganer Quellen:
- Vitamin A / Beta Carotin aus Möhren, Aprikosen, Mango, Kürbis, Feldsalat und Brokkoli. Generell steckt viel Vitamin A / Beta Carotin in orangenem, gelben und grünem Obst und Gemüse.
- Vitamin D bildet der Körper selbst durch Sonneneinstrahlung. Verlässliche Nahrungsquellen gibt es hierfür nicht. Gerade in den Wintermonaten (Oktober bis März) sollte daher auf ein veganes Vitamin D Präparat zurückgegriffen werden.
- Vitamin B6 aus Bananen, Hülsenfrüchten, Avocado, Vollkorngetreide, Ölsaaten und Walnüssen.
- Folat aus grünem Blattgemüse, Kohl und andere Gemüsearten, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte.
- B12 wird von Mikroorganismen gebildet und kann daher mit der veganen Ernährung nicht aufgenommen werden. Daher sollte auch hier auf ein Supplement zurückgegriffen werden.
- Calcium aus Sesam, Mandeln, Haselnüssen, Grünkohl, Brokkoli, Trockenfrüchten, calciumreichem Mineralwasser (dass Calcium aus Mineralwasser nicht absorbiert werden kann, ist übrigens ein Märchen), mit Calcium angereicherten Lebensmittel (z. B. Pflanzendrinks)
- Eisen aus Hülsenfrüchten, Ölsaaten, Nüssen, Vollkorngetreide, Fenchel, Mangold und Feldsalat. Die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln kann durch Vitamin C, Aminosäuren (v. a. Cystein) und Fruktose verbessert werden. Folglich ist es empfehlenswert gute pflanzliche Eisenquellen mit Vitamin-C-Quellen zu kombinieren, um die Eisenaufnahme bei veganer Ernährung zu optimieren.
- Jod aus jodiertem Speisesalz oder mit Meeresalgen angereichertem Meersalz.
- Zink aus Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Ölsamen und Nüssen.
Fazit
Der Artikel klingt vielleicht so, als sei es unmöglich sich in der Schwangerschaft vegan zu ernähren. Doch das stimmt nicht. Es ist jedoch so: Eine Schwangerschaft ist etwas Besonderes. Und so ist auch die dazu passende Ernährung besonders.
Willst du dich während Schwangerschaft und Stillzeit vegan ernähren, solltest du dich mit den potenziell kritischen Nährstoffen auseinandersetzen. Falls du gewisse Lebensmittel absolut nicht magst, diese aber für eine ausreichende Nährstoffzufuhr an gewissen Vitaminen und Mineralstoffen notwendig wären, solltest du über Supplemente nachdenken. Aber auch das ist, wie die Nationale Verzehrsstudie II zeigt, kein »veganes Problem«. So erreichen beispielsweise über 75 % der Frauen unter 50 Jahren die Zufuhrempfehlungen für Eisen nicht. Auch die Zufuhr von Vitamin D, Folat, Calcium Eisen und Jod ist laut NVS II für weite Teile der Bevölkerung problematisch.
Generell ist es wichtig (was allerdings ohnehin gemacht wird), deine Blutwerte kontrollieren zu lassen. Für eine Supplementierung weiterer Vitamine und Mineralstoffe solltest du dich mit deinem Arzt / deiner Ärztin besprechen. Gerade in der Schwangerschaft sollte hierbei kein Risiko eingegangen werden.
Ist vegane Ernährung für Schwangere und Stillende nun problematisch? Meiner Meinung nach kommt es auf die Betrachtungsweise an. Ernährung ist immer ein wichtiges Thema und sollte gerade in außergewöhnlichen Phasen des Lebens besonders beachtet werden. Schließlich solltest du bedenken, dass du nicht nur dich, sondern auch ein heranwachsendes Lebewesen in dir trägst und ernähren musst. Generell sollte sich jede werdende Mutter – egal ob Veganerin, Vegetarierin oder Mischköstlerin – mit diesem Thema auseinandersetzen. Bei veganer Ernährung wurde allerdings gezeigt, dass vor allem auf eine ausreichende Energiezufuhr geachtet werden soll. Wenn diese erreicht ist, du dich abwechslungsreich ernährst und Vitamin B12 ergänzt, sollte einer veganen Ernährung während Schwangerschaft und danach Stillzeit nichts im Wege stehen.
Ich hoffe, dass ich dir mit dem Artikel helfen konnte und freue mich über deine Meinung in den Kommentaren 🙂
Alles Liebe und bis bald,
deine Laura
Buchempfehlungen:
- Vegane Ernährung: Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost von Markus Keller und Edith Gätjen
- Ernährung des Menschen von Claus Leitzmann und Ibrahim Elmadfa
- Vegetarische Ernährung von Claus Leitzmann und Markus Keller
Quellen
Elmadfa, I., Leitzmann, C. (2015): Ernährung des Menschen. Stuttgart: Eugen Ulmer.
Leitzmann, C., Keller, M. (2013): Vegetarische Ernährung. Stuttgart: Eugen Ulmer.
Nationale Verzehrsstudie II des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
D-A-CH/Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE) (2013): D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2013. 5. Auflage, Neustadt a. d. Weinstraße: Neuer Umschau Buchverlag
Wrangham, R. (2009): Feuer fangen. Wie uns das Kochen zum Menschen machte – eine neue Theorie der menschlichen Evolution. München: Deutsche Verlags-Anstalt.
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Pauline
Ein super interessantes Thema und dieser Blogpost ist wirklich total hilfreich!
Auch wenn ich noch ein Weilchen habe, bis ich in betracht ziehen werde schwanger zu werden, habe ich mich schon oft gefragt, ob und wie es möglich ist, sein Kind von der Zelle auf vagen zu ernähren. Auf Youtube gibt es ja auch einige vegane Mütter und Kinder und man sieht ihnen an, dass es gut ist und richtig war, aber ich kann mir vorstellen, dass es auch schief gehen kann!
Liebe Grüße
Pauline <3
http://www.mind-wanderer.com
Laura Merten
Hallo Pauline,
danke für dein Lob 🙂 Freut mich, dass dir der Artikel gefallen und geholfen hat! Genau, es ist auf jeden Fall möglich.
Liebe Grüße,
Laura
Claire
Hallo danke für den Artikel. Ich bin jetzt schon fast am Ende meiner Schwangerschaft angwlangt aber hatte viel mit Kritik zu tun und Sorge von Außenstehenden ob ich den als Veganerin ein gesundes Baby auf die Welt bringen kann. Ich hab außer wissen nichts supplementiert und meine Werte (sogar B12, deshalb meine Frage: muss es wirklich supplementiert werden?) waren immer top und ich habe selbst jetzt 2 Wochen vor dem Termin keine Beschwerden wie Sodbrennen, Wassereinlagerungen, Müdigkeit etc mir geht es fabelhaft, mein Kreislauf ist top und ich mache lange Spaziergänge ohne Probleme. Da soll mir noch einer kommen mit ‘vegan und schwanger wäre nicht gesund’ 😉 liebe Grüße!
Claire
*Außer Eisen
(Nicht außer wissen;))
Laura Merten
Liebe Claire,
vielen Dank für deinen Kommentar 🙂 Wenn es dir gut geht und deine Werte top sind, ist es nicht notwendig weitere Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Außer B12 und Vitamin D kannst du alle wichtigen Nährstoffe über die Nahrung aufnehmen. Wenn deine Lebensmittelauswahl also abwechslungsreich, ausgewogen und vollwertig ist, musst du nichts zusätzlich supplementieren. Manche Frauen haben während der Schwangerschaft Probleme, da sie manche (wichtige) Lebensmittel nicht mögen.
Es freut mich wirklich sehr, dass es dir so gut geht und ich wünsche dir eine wundervolle Zeit 🙂
Liebe Grüße,
Laura
Melanie
Hey Laura,
vielen Dank für diesen informativen Artikel, der endlich auch mal mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Belegen arbeitet 🙂 Das findet man leider ja nicht allzuoft. Ich habe selbst eine gesunde vegane Schwangerschaft hinter mir und kann jeder veganen Mama (to be) nur positiv zusprechen, bei ihrer gewählten Ernährungsform zu bleiben. Natürlich ist es dabei wichtig, auf Nährstoffe, die potenziell kritisch sind bzw. werden können, zu achten und seinen Versorgungsstatus zu kennen.