Wir kennen sie alle, Schlagzeilen wie »Veganer Nährstoffmangel schadet dem Kindeswohl«. Daraus entstehen digitale Wortgefechte zwischen Veganern und Mischköstlern, die wenig mit Respekt und Objektivität zu tun haben und gewiss nicht zielführend sind. Ungeachtet der Emotion, die bei solchen Diskussionen immer mitschwingt, will ich hier einen Versuch wagen, die Thematik aus möglichst objektiver Sicht zu beleuchten.
Ich weiß, ich bin befangen. Aber das sind wir bei Ernährungsfragen alle. Schließlich ernähren wir uns alle und wahrscheinlich möchte niemand »seine« Ernährungsform in einem schlechten Licht sehen. Zudem habe ich kein besonderes Interesse daran, die vegane Ernährungsweise fälschlicherweise als Nonplusultra darzustellen, da ich primär aus ethischen Gründe keine Tiere esse.
Grundlegende Überlegungen
Seit ich 2014 mit dem Studium der Ökotrophologie begonnen habe, bekomme ich einen kleinen Einblick in die Komplexität des Themengebiets »Ernährung«1. Würde ich behaupten, dieser Beitrag könnte alle wichtigen Fragen klären, wäre das nicht nur naiv, sondern schlichtweg falsch. Ernährung ist komplex, sonst hätten sich nicht schon so viele kluge Köpfe aufgemacht, die verschiedenen Bereiche des Themenkomplexes zu untersuchen und häppchenweise aufzubereiten.
Ziel des Beitrags ist es, dir einen groben Überblick zur veganen Ernährung aus ernährungswissenschaftlicher Sicht zu bieten. Dieser soll dann die Basis für weiterführende Recherche sein (dazu werden auch in Zukunft Artikel hier erscheinen). Mithilfe von mir bekannten Studien, Lehrbüchern, Vorlesungsinhalten und anderer Literatur will ich mich der Frage nähern: »Veganer Nährstoffmangel – Märchen oder Fakt?«
Bevor wir einsteigen, will ich noch vier Dinge klären, um den thematischen Rahmen des Beitrags abzustecken.
1. Es gibt nicht die Ernährungsform
Was es gibt, sind viele verschiedene Ernährungsformen, die unter bestimmten Umständen besonders geeignet und zielführend sind – oder eben nicht. Es gibt auch Ernährungsweisen, die im Durchschnitt gesünder sind, als andere. Pauschalaussagen über Ernährung zu treffen, wird der tragenden Rolle der Ernährung in unserem Leben jedoch nicht gerecht.
2. Ernährung dient (auch) der Nährstoffzufuhr
In diesem Beitrag geht es nicht um soziale Aspekte von Ernährung. Wir wollen uns aus ernährungsphysiologischer Sicht der Fragestellung nähern und keine Diskussion um Traditionen, Ethik und Geselligkeit führen, wenngleich diese Bereiche nicht minder wichtig sind.
3. Vereinfachung der Komplexität
In diesem Artikel betrachten wir »nur« Hauptnährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Eine weitere Unterscheidung in bioaktive Substanzen und sonstige Inhaltsstoffe wie Wasser und Ballaststoffe würde den Rahmen sprengen. Ich werde diese Themen aber noch an anderer Stelle behandeln. Im Folgenden werde ich zu jedem Nährstoff ganz kurz die wichtigsten Funktionen im Organismus, ggf. Mangelgefährdungen und gute vegane Quellen aufzählen.
Meinen sonst doch gerne mal ausschweifenden Schreibstil habe ich hier auf das Wichtigste reduziert. Der Artikel soll schließlich in erster Linie informieren.
4. Jede Ernährungsweise kann zum Mangel führen
Der Begriff »Ernährungsweise« ist nicht optimal, schließlich führt eine »ausgewogene und vollwertige Ernährungsweise« per definitonem nicht zu Mangelzuständen – zumindest solange keine außergewöhnliche Lebensumstände eintreten. In diesem Artikel meine ich mit Ernährungsweise z. B. Veganismus, Vegetarismus, Paleo, Low Carb und die ketogene Diät. Jede dieser Ernährungsformen kann – entsprechend zielführend durchgeführt – bedarfsdeckend sein. Bloß vergessen das manche Autoren, vielleicht in der Hoffnung, ein paar mehr Klicks oder Verkäufe zu erzielen. Was es heißt, die vegane Ernährungsweise zielführend (also bedarfsdeckend) im Alltag umzusetzen, wollen wir uns in den folgenden Abschnitten anschauen.
Hauptnährstoffe bei veganer Ernährung
Einen Mangel der Hauptnährstoffe zu erleiden scheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich. Täglich lesen wir, dass wir zu viel Fett, Zucker und Protein essen. Doch es kommt nicht bloß auf die Menge, sondern auch auf die »Qualität« der Nährstoffe an. Außerdem müssen wir zwischen essenziellen und nicht-essenziellen Nährstoffen unterscheiden. 100 Billigöl enthalten kaum nennenswerte Mengen essenzieller Omega-3-Fettsäuren, aber insgesamt fast nur Fett. Wir müssen also Lebensmittel wählen, die nicht bloß energiereich, sondern auch reich an essenziellen Hauptnährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen sind.
Während Kohlenhydrate (meist) zu den nicht-essenziellen Nährstoffen gezählt werden – d. h. unser Körper ist in der Lage aus anderen Substraten Glukose herzustellen –, gibt es bei Fetten und Proteinen tatsächlich essenzielle Formen. Daher will ich in diesem Beitrag nicht gesondert auf Kohlenhydrate eingehen, da ein Mangel daran unwahrscheinlich ist und mit einem generellen Energiemangel einhergeht. Entsprechend werden wir auch nicht die Ballaststoffe (unverdauliche Kohlenhydrate) betrachten, da diese bei einer ausgewogenen veganen Ernährung ohnehin nicht zu kurz kommen.
Bei all den berechtigten Lobeshymnen auf Ballaststoffe, dürfen wir nicht vergessen, dass sie mit ein Grund sind, warum pflanzliche Lebensmittel teilweise eine schlechtere Bioverfügbarkeit bestimmter Nährstoffe (z. B. Calcium, Eisen, Zink, Kupfer) aufweisen als tierische. Wenn man sich dessen bewusst ist und die folgenden Tipps beherzigt, überwiegen jedoch die gesundheitlichen Vorteile einer ballaststoffreichen Ernährung bei Weitem die Nachteile.
Essenzielle Fettsäuren
Zu den essenziellen Fettsäuren zählen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren (auch n3- und n6-Fettsäuren). Diese Fettsäuren müssen wir über die Nahrung aufnehmen, da wir nicht in der Lage sind, sie selbst herzustellen, wir sie aber unbedingt für verschiedene Vorgänge benötigen. Dazu zählen Senkung der Triglyceride im Blutplasma, Blutdrucksenkung, Erhöhung der HDL-Konzentration (»gutes Cholesterin«) und Entzündungshemmung.
Vegane Quellen dieser Fettsäuren in gutem Verhältnis (mehr dazu unten) sind z. B. Leinsamen und Leinöl, Hanfsamen und Hanföl, Walnüsse und Walnussöl und Rapsöl.
Doch damit nicht genug. Diese beiden Fettsäuren unterscheidet man wiederum in verschiedene »Ausführungen«:
- Omega-3-Fettsäuren
- alpha-Linolensäure (essenziell)
- DHA (bedingt essenziell)
- EPA (bedingt essenziell)
- Omega-6-Fettsäuren
- Arachidonsäure (semi-essenziell)
- Linolsäure (essenziell)
Aus pflanzlichen Lebensmitteln können wir lediglich die essenziellen Formen alpha-Linolensäure und Linolsäure aufnehmen. Die längerkettigen Fettsäuren, die ebenfalls zu den n3-/n6-Fettsäuren gehören, müssen wir dann selbst aus diesen Vorstufen »bauen«. Das ist auch der Grund, warum häufig Fisch als gute Omega-3-Quelle genannt wird. Schließlich wurde diese Umwandlung bereits vom Fisch erledigt und wenn du ihn isst, landen somit DHA und EPA in dir. Die Umwandlung zu DHA ist bei Frauen übrigens deutlich höher als bei Männern. Das ist damit erklärt, dass DHA v. a. für die Bedarfsdeckung des Nachwuchs während Schwangerschaft und Stillzeit benötigt wird.
Der tägliche Bedarf beträgt laut D-A-CH-Referenzwerten 0,5 % der Gesamtkalorien für Omega-3-Fettsäuren und 2,5–4 % für Omega-6-Fettsäuren. Beispiel: Isst du 2500 kcal pro Tag, sollten davon rund 125 kcal aus n3-Fettsäuren stammen, also ±1,3 g pro Tag. Schwangere und Stillende sollten zudem zusätzlich 200 mg DHA pro Tag zu sich nehmen.
Zwischenfazit Fette: Ausreichend Omega-3-Fettsäuren aufnehmen und versuchen auf ein wünschenswertes Verhältnis von 1:5 (n3:n6) zu kommen. Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil Omega-3- und -6-Fettsäuren um dieselben Enzymsysteme für die Umwandlung in DHA und EPA sowie Arachidonsäure konkurrieren. Ist das Verhältnis zugunsten der Omega-6-Fettsäuren erhöht, leidet die Umwandlung der Omega-3-Fettsäuren. Bei unzureichender Synthese von DHA und EPA ggf. ein pflanzliches Supplement in Betracht ziehen.
Essenzielle Aminosäuren
Protein scheidet die Geister, zumindest die der Gurus. Für die einen kann es gar nicht genug Eiweiß sein, die anderen behaupten, es sei eigentlich ja gar nicht so wichtig und komme schließlich »überall« vor. Letzteres stimmt sogar … fast. Zwar kommen Proteine in fast allen ganzen Lebensmitteln vor, doch unterscheidet sich die Zusammensetzung der Eiweiße mitunter beträchtlich.
Ein Protein besteht aus vielen kleinen Einzelteilen, den Aminosäuren. Davon gibt es über 100, doch bloß 20 sind proteinogen – werden von unserem Organismus zum Proteinaufbau verwendet – und davon wiederum 8 (+ 2 bedingt essenzielle) sind für den Menschen essenziell. Die für uns essenziellen Aminosäuren sind:
- (Histidin)
- (Arginin)
- Isoleucin
- Leucin
- Lysin
- Methionin
- Phenylalanin
- Threonin
- Tryptophan
- Valin
Interessant für Veganer sind »limitierende Aminosäuren«. Damit sind jene Aminosäuren gemeint, die in einer bestimmten Lebensmittelgruppe in außergewöhnlich geringem Maß vorkommen und somit die biologische Wertigkeit (und andere Bewertungsskalen für Proteine) nach oben hin limitieren. Ein Paradebeispiel ist die Aminosäure Lysin, die in Getreide – genauso wie Threonin und Tryptophan – zu kurz kommen.
Doch das ist kein Beinbruch, denn durch Kombination von Hülsenfrüchten (limitierende AS: Methionin) und Getreide kann die Proteinqualität erheblich verbessert werden. Wen wundert’s, dass traditionelle Gerichte verschiedener Kulturen diese Maßnahme ungewollt (oder gewollt) berücksichtigen:
- Falafel mit Fladenbrot
- Bohnen mit Mais
- Bohnen mit Weizentortillas
Der tägliche Bedarf an Protein wird meist über die obligatorische Stickstoffausscheidung pro Tag ermittelt. Sprich: Jeder Mensch scheidet pro Tag eine bestimmte Menge (54 mg/kg KG) des lebensnotwendigen Stickstoffs aus und muss diese ausgleichen. Auf diesen Wert wird dann ein Sicherheitszuschlag addiert und so landet man bei der Empfehlung von 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht und Tag. Bei Sportlern, Säuglingen, Kindern und Stillenden ist der Bedarf entsprechend ihres Mehrbedarfs höher. Bei ganz jungen Säuglingen liegt der Bedarf z. B. bei 2,7 g/kg Körpergewicht pro Tag – klar, schließlich müssen die kleinen Racker wachsen.
Übrigens enthält Frauenmilch deutlich weniger Protein als Kuhmilch, nämlich im Schnitt ein Drittel der Menge. Ist auch irgendwie logisch, wenn man die Größe einer ausgewachsenen Kuh mit der eines erwachsenen Menschen vergleicht.
Zwischenfazit Proteine: Nicht bloß auf eine pflanzliche Proteinquelle verlassen, wenngleich ein Mangel nicht dadurch entsteht, dass du einen Tag lang mal bloß Bohnen ist. Dafür ist unser Organismus zu schlau. Zudem darauf achten, den Energiebedarf zu decken, um keinen körpereigenen Proteinabbau herbeizuführen.
Vitamine und Mineralstoffe
Mineralstoffe
Natrium finden wir vor allem im Extrazellularraum (90 %), wo es für die Regulation der Osmose, Enzymaktivierungen, das Herstellen des Membranpotenzials bzw. der Erregungsleitung und die Aufnahme von Zuckern und Aminsäuren in die Zelle zuständig ist.
Gute pflanzliche Quellen: Salz*.
Kalium kann als Gegenpart von Natrium gesehen werden – zumindest was den primären »Aufenthaltsort« angeht. Kalium befindet sich nämlich überwiegend innerhalb der Zelle. Es ist ebenfalls an der Osmoregulation und Enzymaktivierung, sowie der Erregungsleitung beteiligt und sorgt zudem für die Hydratation der Zelle.
Gute pflanzliche Quellen: Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse, Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, alkoholfreie Getränke.
Calcium ist Baustein von Knochengewebe und Zähnen, second messenger und somit essenziell für die Zellaktivierung, wichtig für die neuromuskuläre Reizübertragung und Blutgerinnung. Es wird häufig als Mangelelement bei veganer Ernährung bezeichnet. Das liegt daran, dass typische pflanzliche Inhaltsstoffe wie Ballaststoffe, Phytinsäure (beides z. B. in Vollkornprodukten) und Oxalsäure (z. B. im Spinat) die Aufnahme hemmen, da sie Calcium binden. Daher ist es wichtig – gerade als Veganer –, auf eine ausreichende Calciumzufuhr zu achten, was unter Einhaltung weniger Tipps jedoch kein großes Problem darstellt. Von zentraler Bedeutung für die Calcium-Aufnahme ist zudem Vitamin D, sodass eine ausreichende Versorgung mit dem »Sonnenvitamin« die Grundvorraussetzung für eine wünschenswerte Calcium-Absorption ist.
Wichtig für eine Blutuntersuchung ist, dass der Körper immer bestrebt ist einen physiologischen Calciumspiegel im Blut zu erhalten. Wegen der großen Calciumspeicher in den Knochen und der Regulierung durch verschiedene Hormone (z. B. PTH) ist der Serumwert für Calcium wenig aussagekräftig für den Versorgungsstatus.
Gute pflanzliche Quellen: Sesam, Mandeln, Haselnüsse, Grünkohl, Brokkoli, Trockenfrüchte, calciumreiches Mineralwasser* (dass Calcium aus Mineralwasser nicht absorbiert werden kann, ist übrigens ein Märchen), mit Calcium angereicherte Lebensmittel (z. B. Pflanzendrinks).
Magnesium ist Effektor vieler Enzyme, wichtig für die neuromuskuläre Reizübertragung und Baustein von Knochengewebe.
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse, Fenchel, Kohlrabi, Cashew.
Chlorid ist Bestandteil der Magensalzsäure und wie Natrium (wie Natrium überwiegend außerhalb der Zelle) und Kalium ebenfalls wichtig für die Osmoregulation und das Membranpotenzial.
Gute pflanzliche Quellen: Salz*.
Phosphor benötigen wir für den Energiestoffwechsel, zusammen mit Calcium ist es Baustein unserer Knochen und ein wichtiges Puffersystem im Blut (gegen pH-Schwankungen).
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide, Ölsamen, Nüsse
Schwefel ist essenzieller Bestandteil von schwefelhaltigen Aminosäuren (Cystein, Methionin) und Vitaminen (Vitamin B1, Biotin), wichtig für den Energiestoffwechsel und verschiedene Entgifungsreaktionen (nicht zu verwechseln mit »Entgiftungserscheinungen«).
Gute pflanzliche Quellen: Nüsse, Hülsenfrüchte.
Eisen ist als Teil der roten Blutkörperchen extrem wichtig für einen reibungslosen Sauerstofftransport, Sauerstoffspeicherung im Muskel und Cofaktor verschiedener Enzyme. Wie Calcium wird Eisen oft als Mangelelement bei veganer Ernährung bezeichnet. Das kommt daher, dass wir zwei verschiedene Eisen(oxidations-)formen unterscheiden: dreiwertiges Nicht-Häm-Eisen (in pflanzlichen Lebensmitteln) und zweiwertiges Häm-Eisen (in tierischen Lebensmitteln). Letzteres kann ohne Zwischenschritt aus der Nahrung absorbiert werden, wohingegen pflanzliches Eisen zunächst zu zweiwertigem Eisen reduziert werden muss. Die Absorptionsrate ist bei Häm-Eisen entsprechend höher als bei Nicht-Häm-Eisen (20–35 % vs. 3–20 %).
Die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln kann durch Vitamin C, Aminosäuren (v. a. Cystein) und Fruktose verbessert werden. Folglich ist es empfehlenswert gute pflanzliche Eisenquellen mit Vitamin-C-Quellen zu kombinieren, um die Eisenaufnahme bei veganer Ernährung zu optimieren.
Gute pflanzliche Quellen: Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Nüsse, Vollkorngetreide, Fenchel, Mangold, Feldsalat.
Jod ist essenzieller Bestandteil der Schilddrüsenhormone. Ein Mangel, der übrigens vergleichsweise häufig vorkommt, beeinträchtigt die Funktion der Schilddrüse. Jodmangelzustände sind übrigens kein Veganer-Problem, sondern betreffen die Allgemeinbevölkerung in Deutschland.
Gute pflanzliche Quellen: Algen, Salz* (jodiert), alkoholfreie Getränke; geringe Gehalte: Grünkohl, Brokkoli, Spinat, Champignons.
Fluor brauchen wir für die Stabilität unserer Knochen sowie zum Kariesschutz, wonach sich auch die Zufuhrempfehlungen richten.
Gute pflanzliche Quellen: Walnüsse, Sojabohnen, schwarzer Tee, manche Mineralwasser*.
Zink ist Cofaktor zahlreicher Enzyme, wichtig für die Genexpression, unser Immunsystem, die Speicherung von Insulin und die Bildung von Spermien. Häufig wird auch Zink als kritischer Nährstoff bei veganer Ernährung bezeichnet, was v. a. daher kommt, dass die Aufnahme durch Ballaststoffe, Phytate, Oxalate und Weizen zum Teil stark gehemmt werden kann und wir über keinen Zinkspeicher verfügen.
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse.
Kupfer ist Cofaktor einiger Enzyme und daher für uns unentbehrlich.
Gute pflanzliche Quellen: Nüsse, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide.
Mangan ist ebenfalls Cofaktor einiger Enzyme, die u. a. für die Biosynthese von Knorpel und die Glukoneogenese (Synthese von Glukose aus Aminosäuren) wichtig sind.
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Grünkohl, Spinat, Pastinake, Schwarztee.
Selen dient dem Oxidationsschutz, ist Cofaktor verschiedener Enzyme und dient der Synthese von Schilddrüsenhormonen. Der Selengehalt von Lebensmittel kann je nach Anbauregion stark variieren, sodass Lebensmitteltabellen nur bedingt aussagekräftig sind.
Gute pflanzliche Quellen: Paranüsse, Hülsenfrüchte, Steinpilze, Rosenkohl.
Molybdän ist wie Selen, Mangan und Kupfer Cofaktor einiger Enzyme, die wiederum bei der Elektronenübertragung und dem Purinabbau eine wichtige Rolle spielen.
Gute pflanzliche Quellen: Hülsenfrüchte, Getreide.
Chrom verstärkt die Wirkung von Insulin und ist somit wichtig für den Kohlenhydratstoffwechsel.
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide.
Cobalt ist Bestandteil von Vitamin B12 (siehe unten, auch bzlg. pflanzlicher Quellen).
Silizium benötigen wir für die Stabilität unseres Bindegewebes und eventuell für den Knochenaufbau (noch nicht abschließend gesichert).
Gute pflanzliche Quellen: Vollkorngetreide, Wurzelgemüse.
Vitamine
Fettlösliche Vitamine
Vitamin A / Carotinoide sind wichtig für den Sehvorgang, die Zelldifferenzierung, Wachstum, Reproduktion (Spermabildung und Plazentaentwicklung) und das Immunsystem.
Gute pflanzliche Quellen für Carotinoide sind: gelbes, grünes und oranges Obst und Gemüse.
Vitamin D ist u. a. wichtig für den Stoffwechsel von Calcium und Phosphat, die Muskelentwicklung und -funktion und das Immunsystem.
Gute pflanzliche Quellen sind: keine. Und jetzt? Nun, Vitamin D ist im Prinzip kein Vitamin, da wir es selbst aus Vorstufen durch Sonneneinstrahlung synthetisieren können. Folglich ist die beste Quelle die Sonne. Zwischen Oktober und März reicht die Sonnenexposition in Mitteleuropa nicht für eine ausreichende Synthese aus und es sollte auf ein Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen werden. Wie hoch die Dosis ist, muss individuell entschieden werden. Vitamin D ist kein »veganes Problem«, sondern eines der Allgemeinbevölkerung.
Vitamin E schützt unsere Zellen vor Oxidation und erhält ihre Membranstrukturen aufrecht.
Gute pflanzliche Quellen: Öle, Nüsse und Ölsamen; hierbei auf den Netto-Vitamin-E-Gehalt achten, der durch die Menge enthaltender Fettsäuren zum Schutz des Vitamins vor oxidativer Schädigung bestimmt wird.
Vitamin K ist wichtig für den Knochenstoffwechsel und die Blutgerinnung.
Gute pflanzliche Quellen: grünes Blattgemüse, Kohl, Vollkorngetreide und unsere eigene Synthese durch Darmbakterien*.
Wasserlösliche Vitamine
Vitamin B1 wird vor allem im Kohlenhydratstoffwechsel benötigt.
Gute pflanzliche Quellen: Sonnenblumenkerne, Sesam, Paranüsse, Sojabohnen, Vollkorngetreide.
Vitamin B2 benötigen wir hauptsächlich für den Energiestoffwechsel (insbesondere Fettsäurenstoffwechsel) und die embryonale Entwicklung.
Gute pflanzliche Quellen: Hefe*, Mandeln, Sojabohnen, Pilze*, Vollkorngetreide, Brokkoli.
Vitamin B3 braucht unser Körper primär im Energiestoffwechsel.
Gute pflanzliche Quellen: Erdnüsse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Ölsamen
Vitamin B5 wird für die Synthese von Steroiden, den Energiestoffwechsel und als Neurotransmitter gebraucht.
Gute pflanzliche Quellen: Hefe*, Erdnüsse, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide.
Vitamin B6 wird vor allem im Protein- und Erythrozytenstoffwechsel, zur Synthese von Neurotransmittern und Stimulation des Immunsystems benötigt.
Gute pflanzliche Quellen: Walnüsse, Sonnenblumenkerne, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Bananen.
Vitamin B12 brauchen wir für DNA-Synthese und Zellteilung. Es gibt keine verlässlichen veganen Quellen (außer für Analoga, die keine Bedeutung für die menschliche Physiologie haben). Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganismen synthetisiert und ist folglich nicht in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Daher: Unbedingt auf ein Vitamin-B12-Supplement zurückgreifen.
Anders als ich selbst bis vor einem Jahr durch Hörensagen angenommen hatte, ist auch eine Ergänzung mit Cyanocobalamin keineswegs nachteilig. Da Cyanocobalamin jedoch zunächst in Methylcobalamin umgewandelt werden muss, bevorzugen viele Veganer Methylcobalamin als Supplement.
Folat benötigen wir ebenfalls für die DNA-Synthese und Zellteilung, sowie für den Protein-, Nukleinsäure- und Phospholipidstoffwechsel.
Gute pflanzliche Quellen: Hefe*, grünes Blattgemüse, Kohl, Vollkorngetreide.
Biotin verwenden wir im Stoffwechsel der Hauptnährstoffe.
Gute pflanzliche Quellen: Hefe*, Sojabohnen, Erdnüsse, Haferflocken, Naturreis.
Vitamin C spielt eine wichtige Rolle im Oxidationsschutz, bei der Kollagensynthese, Bildung von Hormonen und es verbessert die Aufnahme von (Nicht-Häm-) Eisen.
Gute pflanzliche Quellen: Sanddornbeeren, Paprika, Zitrusfrüchte.
*Obwohl »pflanzlich« hier nicht korrekt ist, wird der Begriff synonym für »nicht-tierisch« verwendet.
Vitamine und Verarbeitung
Die meisten Vitamine sind Diven. Sie reagieren empfindlich auf lange Lagerzeiten und Hitze, sodass der Vitamingehalt mit steigender Lagerzeit, Kochdauer und der Art der Verarbeitung rapide sinkt. Manche Vitamine sind auch relativ hitzestabil, dafür aber extrem lichtempfindlich (Vitamin B2). Daher gilt für Lagerung und Verarbeitung insgesamt: möglichst kurz und dunkel lagern, schonend garen und das Kochwasser wenn möglich weiterverwenden.
Fazit: Veganer Nährstoffmangel (?)
Die vegane Ernährung als Maß der Dinge darzustellen ist eine sehr einseitige, meist dogmatisch motivierte, Sichtweise. Wie bei jeder anderen Ernährungsform auch, sollte man sich der eigenen Verantwortung sich selbst (und ggf. seinen Kindern und Pflegebedürftigen) gegenüber bewusst sein, sich mit Ernährung auseinandersetzen und wenige simple Richtlinien befolgen:
- abwechslungsreich ernähren (»Iss bunt, iss gesund.«)
- ausreichend essen
- auf kritische Nährstoffe achten:
- Vitamin B12 supplementieren
- Vitamin D in den Wintermonaten ergänzen
- mehr als 1–2 Proteinquellen nutzen
- Eisen: Kombination mit Vitamin C, unterschiedliche Absorptionsrate beachten
- Calcium: auf ausreichende Zufuhr achten und hemmende Faktoren beachten
- Zink: aus ausreichende Zufuhr achten und hemmende Faktoren beachten
- Spaß am Essen haben
Als Gießener Student komme ich natürlich nicht um die Gießener vegetarische Lebensmittelpyramide nach Keller und Leitzmann herum. Auch der VEBU stellt eine vegetarische und eine vegane Ernährungspyramide auf ihrer Website zur Verfügung, die dir einen guten Überblick bieten.
Doch nicht nur vegetarische und vegane Verbände können eine ausgewogene pflanzliche Ernährungsweise empfehlen. Auch der UGB kann der veganen Ernährung einiges abgewinnen, genauso wie die amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics und andere Organisationen. Dass Veganer Nährstoffmangel auf magische Art anziehen würden, kann unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus diesem Artikel und den zugrundeliegenden Quellen nicht im Ansatz bestätigt werden.
Vegan kann eine Mangelernährung sein. Aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal der veganen Ernährungsweise. Vielmehr kann jede Ernährungsweise zum Mangel führen, sofern sich einseitig ernährt wird und Mehrbedarfe durch Schwangerschaft, Stillzeit, Sport, Krankheit oder Alter außer Acht gelassen werden. Genauso wie jede andere Ernährungsform auch, kann Veganismus – unter Beachtung kritischer Nährstoffe – gesund sein.
Nährstoffbedarf und was du wissen musst:
Quellen
Biesalski, H. K., Grimm, P., Nowitzki-Grimm, Susanne (2015): Taschenatlas Ernährung. Stuttgart: Thieme.
Elmadfa, I., Leitzmann, C. (2015): Ernährung des Menschen. Stuttgart: Eugen Ulmer.
Leitzmann, C., Keller, M. (2013): Vegetarische Ernährung. Stuttgart: Eugen Ulmer.
Melina, V., Craig, W., & Levin, S. (2016). Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: vegetarian diets. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 116(12), 1970-1980.
Ross, A. C., Caballero, B., Cousins, R. J., Tucker, K. L., Ziegler, T. R. (2012): Modern Nutrition in Health and Disease. Philadelphia: Wolters Kluwer Health.
WHO (World Health Organization) (2004): Iodine status worldwide: WHO global database on iodine deficiency. Geneva, p. 1, 12
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Alina
Super kompakt, schön und richtig zusammengefasst. Dem ist nichts hinzuzufügen. Freut mich, dass ihr auch so neutral an die Sache ran geht und nicht so dogmatisch nach dem Motto “alles andere als vegan macht krank”.
Das versuche ich auch den Lesern meiner Blogartikel und Bücher zu vermitteln.
LG,
Alina
Jan Rein
Hey Alina,
danke für die Blumen und schön, dass du dir den Artikel angeschaut hast.
Liebe Grüße
Jan
CATHARINA
Ich finde diesen Artikel wirklich sehr gut. Sachlich, objektiv, deutlich und vor allem sehr informativ. Und sehr gut erklärt und veranschaulicht. Fürs nächste mal würde ich mir an der einen oder anderen Stelle etwas kürzere Sätze zum besseren Verständnis wünschen, dann fließt es besser 🙂 Da ich selbst Ökotrophologie hatte, wusste ich vieles schon, allerdings war auch für mich viel wichtiges und interessantes neues dabei, weil ich auf dem Gebiet der veganen Ernährung noch Anfänger bin. Hab mich selbstverständlich sehr gut informiert und auch durch mein Fachwissen gut vorbereitet, aber es von erfahrenen Veganern erklärt zu bekommen ist sehr hilfreich. Deshalb fand ich es auch gut, dass du Lebensmittelquellen dazu genannt hast, sehr anschaulich und leicht zu merken!
Freue mich schon auf die kommenden Beiträge zu diesem Thema und vielen Dank für diesen tollen Blogpost!
Jan Rein
Hey Catharina,
vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis bezüglich Satzlänge. Freut mich, dass dir der Beitrag gefallen hat!
Liebe Grüße
Jan
Flo
Hi, auch von meiner Seite Lob und Dank für diese Übersicht, ich werde die Liste in der nächsten Zeit sicher öfter konsultieren. Dem Lob der anderen Kommentatoren (undogmatischer Stil und so) kann ich mich voll anschließen.
Was mich ggf. interessieren würde ist, in welchen tierischen Quellen die Nährstoffe vorkommen – nicht weil ich hier eine Anleitung für gemischte Ernährung erwarte, aber als Umsteiger auf vegane Ernährung würde es mich mal interessieren, bei welchen Nährstoffen ich nun eher darauf achten sollte, andere Quellen zu finden, und bei welchen ich auch bei tierischem Konsum vielleicht zu wenig zu mir genommen habe.
Es wäre aber nur ein interessanter Zusatz, da der Anspruch der Seite ja eher ein anderer ist, also will ich nicht sagen dass mir diese Info “fehlt” 😉
Grüßle Flo
PS: Ist vielleicht etwas kleinlich, aber der Hinweisstern, dass “pflanzlich” eher im Sinne von “nicht-tierisch” gemeint ist, könnte m.E. noch etwas öfter gesetzt werden, z.B. bei Salz, Mineralwasser und Pilzen 😉
Jan Rein
Hey Flo, danke für deinen Kommentar und die Anmerkungen! Würdest du dir den Zusatz mit tierischen Quellen in diesem Beitrag wünschen oder lieber als separater Beitrag, wo unter den einzelnen Nährstoffen tierische und pflanzliche Quellen gegenübergestellt werden?
Ansonsten gebe ich dir recht, was die Sternchen angeht. Ich werde nochmal durchgehen und es an entsprechender Stelle ergänzen.
Viele Grüße
Jan
Flo
Hey Jan,
also ich kann mir beuide Varianten gut vorstellen.. 🙂
Grüßle Flo
Luis | VeganFakt
Super Artikel!
Jeder der sich ausführlich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzt wird früher oder später erkennen, dass es nicht “die Ernährungsform” gibt. Das hast du ja selbst beschrieben. Außerdem hängt es von der Wahl der Lebensmittel ab, ob eine vegane Ernährung jetzt besser oder schlechter als die konventionelle Variante ist. Wichtig ist eigentlich nur, dass es möglich ist alle nötigen Nährstoffe über pflanzliche Lebensmittel aufzunehmen.
Freundlich Grüße,
Luis
Nicole
Danke für den äußerst informativen Beitrag! Ich ernähre mich schon seit einigen Jahren vegan und lasse mir in regelmäßigen ein Blutbild erstellen, um meine Ernährung gegebenenfalls anzupassen. Zur Zeit supplementiere ich nur Eisen.
Liebe Grüße,
Nicole
Greta
Ich habe den Artikel zufällig gefunden und bin sehr glücklich darüber 🙂 es hat mir sehr geholfen, also vielen Dank.